Samstag, 2. März 2013

1. Politik: Gleichwertigkeit der Regierungsformen

Den folgenden Text habe Ich für ein Seminar zum Thema Staatsphilosophie geschrieben. 



Über die theoretische Gleichwertigkeit der Regierungsformen


Einleitung. Ich möchte in diesem Essay dem Gedanken nachgehen, dass jede Regierungsform theoretisch gleichwertig ist. Die Gleichwertigkeit besteht dabei in ihrem Nutzen als Mittel zum Erreichen eines bestimmten Zieles. Dieses Ziel ist die Umsetzung der Ansprüche an die Regierung.

Dazu werde ich die Bildung von Gruppen aufgrund ihrer Interessen beschreiben. Anschließend werde ich klären, was ich unter dem Begriff der Herrschaft verstehen möchte. Darauf aufbauend werde ich Regierungsformen und ihre Legitimationsansprüche darstellen und diese abschließend mit dem Begriff der Kontingenz von Richard Rorty konfrontieren.

An dieser Stelle werde ich das Ergebnis bereits kurz zusammenfassen: Jede Regierungsform ist theoretisch gleichwertig, solange sie akzeptiert wird. Wenn eine Monarchie akzeptiert wird, ist sie gleichwertig mit einer akzeptierten Demokratie.

Interessen. Jeder Mensch hat aufgrund seiner Erfahrungen verschiedene Interessen. Jedoch gibt es auch Interessen, die von mehreren Menschen geteilt werden. Aufgrund solcher gemeinsamen Interessen schließen sich Gruppen von Menschen zusammen. Denn zusammen lassen sich gemeinsame Interessen einfacher erreichen. Das stärkste dieser gemeinsamen Interessen ist das (Über-)Leben. Das Überleben ist das elementarste aller gemeinsamer Interessen. Sind die grundlegenden Bedürfnisse gesichert, geht es um die Gestaltung des (guten) Lebens. Ab diesem Punkt divergieren die Interessen besonders deutlich, weil wir uns zwar darüber einigen können, was zum Überleben notwendig ist, jedoch selten alle Menschen darüber einstimmen, was für gutes Leben notwendig ist. So bilden sich innerhalb einer Gruppe weitere Interessengruppen. In der Bevölkerung entstehen so Parteien, Vereine und Lobbyorganisationen. Um alle diese Interessen zu koordinieren bedarf es einer übergeordneten Instanz.

Herrschaft. Max Weber definiert Herrschaft in Soziologische Grundbegriffe als „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“1. Gehorsam lässt sich folglich nur bei Personen finden, die der Herrschaft zustimmen. Die Zustimmung leitet sich aus den eigenen Interessen ab und besteht solange die Herrschenden diese Interessen vertreten. Auch Kompromisse zwischen verschiedenen Interessen sind zustimmungsfähig, solange die Beherrschten diese Kompromisse akzeptieren. Die Akzeptanz solcher Kompromisse leitet sich aus bestimmten Prozessen ab - beispielsweise aus dem Prozess zur Gewinnung des Mittelwertes. Zwei Interessen werden gemittelt und der so entstandene Kompromiss wird akzeptiert, weil beide Interessen zu gleichen Teilen berücksichtigt wurden.

Regierung. Ich möchte die Regierungsform als Blackbox betrachten, die in Form von Ansprüchen Input durch die Bürger bekommt. Ansprüche sind hier die Erwartungen gegenüber der Regierung, dass sie die Interessen vertritt. Der Output der Blackbox besteht in der Umsetzung der Ansprüche. Wie oben beschrieben leitet sich die Akzeptanz aus den Prozessen zur Gewinnung von Kompromissen ab. Wird der Prozess akzeptiert, wird auch der Output akzeptiert. Die Prozesse geschehen in der Blackbox. Wie diese Prozesse genau aussehen, ist irrelevant, solange sie akzeptiert werden. Daher ist es auch irrelevant, welche Art der Regierungsform sich in der Blackbox befindet, solange sie akzeptiert wird. Die Akzeptanz der Regierungsform ist historisch kontingent und leitet sich aus der jeweiligen Legitimation ab.

Legitimation. Nach Weber gibt es drei reine Typen legitimer Herrschaft.2 Zum ersten Legitimität durch Tradition. Eine solche ist in ihrer reinen Form wohl nur in Monarchien oder ähnlichen Alleinherrschaften anzutreffen. Diese Legitimation baut auf der Akzeptanz des Alleinherrschers durch Tradition. Der neue Monarch wird akzeptiert, weil der alte akzeptiert wurde. Aufgrund dieser Akzeptanz ist er dazu in der Lage Kompromisse zu beschließen. Besonders im Mittelalter war es üblich diese Tradition auf Gott zurückzuführen (Gottesgnadentum). 

Zum zweiten Legitimität durch Rationalität. Dieser Typ der Legitimation findet sich zumeist in Aristokratieen oder Demokratien. Sie baut am stärksten auf die Akzeptanz der Prozesse. Wenn die Position als Aristokrat vererbt wird, dann gilt für sie die Legitimation durch Tradition. Wenn Aristokraten aber gewählt werden, dann leitet sich ihre Akzeptanz aus der Akzeptanz des Prozess der Wahl ab. Im Grunde ist eine repräsentative Demokratie auch nur eine Aristokratie, verstanden als die Herrschaft der Besten. Wir wählen diejenigen, von denen wir annehmen, dass sie aufgrund bestimmter Eigenschaften am besten dazu geeignet sind über uns zu herrschen. Die Herrschaft derjenigen, die schließlich gewählt wurden wird akzeptiert, weil der Prozess der Wahl akzeptiert wird. In einer direkten Demokratie leitet sich die Akzeptanz der Kompromisse aus einem einzigen Prozess ab: dem Mehrheitsentscheid. In seiner reinen Form wird der Mehrheitsentscheid aber selten akzeptiert. Denn immer mehr Entscheidungen setzen eine gewisse Fachkenntnis voraus, die ganz einfach nicht jeder haben kann. Mehrheitsentscheide werden nur dann akzeptiert, wenn jeder Abstimmende die nötige Fachkenntnis besitzt.

Zum dritten Legitimität durch Charisma. Diese Typ findet sich besonders wieder bei Alleinherrschaften und vornehmlich in Diktaturen. Sie baut auf die Akzeptanz des Herrschenden aufgrund seiner Eigenschaften. Zu diesen Eigenschaften zählt besonders die Autorität, die jemand vermag auszustrahlen. Aus dieser Akzeptanz leitet sich dann auch die Akzeptanz seiner Entscheidungen ab.

Die Akzeptanz einer Regierung leitet sich aus einer Mischung dieser Legitimationen ab. Sie verliert die Akzeptanz entweder durch illegitime, nicht durch die Legitimation zu rechtfertigende Handlungen, oder die Beherrschten entwickeln ein neues Verständnis von legitimer Herrschaft. Entweder verliert also ein Regierung die Akzeptanz, weil sie entgegen der Interessen der Beherrschten handelt und somit der Output nicht mehr akzeptiert wird oder sie verliert die Akzeptanz, weil die Prozesse nicht mehr akzeptiert werden.

Kontingenz.3 Alles ist kontingent. Selbst das Interesse am Überleben ist kontingent. Ansonsten gäbe es wohl keine Selbstmorde. Die Vorstellungen von einem guten Leben sind ebenfalls kontingent. Nicht nur zwischen den Zeiten, sondern auch in der jeweiligen Zeit an verschiedenen Orten unterscheiden sich diese Vorstellungen. Die Akzeptanz von Kompromissen ist genauso kontingent, weil zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten verschiedene Prozesse akzeptiert werden. Ebenso sind auch Legitimationen kontingent. Heute wird in der westlichen Welt niemand mehr eine Legitimation durch Tradition oder Charisma anerkennen. Dies war nicht immer so. Aus der Kontingenz der Akzeptanz folgt, dass - zumindest theoretisch - keine Regierungsform einen höheren Wert hat als eine andere. Es kann aber sein, dass von zwei akzeptierten Formen der Regierung die eine zu bevorzugen ist, weil sie effizienter als die andere einen akzeptierten Output liefert. Daraus kann eine praktische Ungleichwertigkeit folgen.

Fazit. Weil sich die Gleichwertigkeit nur an der Akzeptanz der Prozesse und des Outputs der Regierung misst, ist die konkrete Ausgestaltung der Prozesse irrelvant. Deswegen ist jede Form der Regierung theoretisch gleichwertig mit jeder anderen Regierungsform, solange sie akzeptiert wird. Eine Monarchie ist also gleichwertig mit einer Aristokratie oder einer Demokratie. Hinsichtlich der Effizienz kann sich aber eine praktische Ungleichwertigkeit ergeben.


D'Ahrc



1 Max Weber, Soziologische Grundbegriffe, Tübingen, Mohr, 5. Auflage, 1981, S. 89
2 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 5. Auflage, 1985, S. 122-124
3 Richard Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1992

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen