Donnerstag, 1. November 2012

1. Gefühle: ... sind privat

Das Gefühl. Es gibt "das Gefühl" nicht. Außerhalb unserer Sprache gibt es nichts, dass wir als "das Gefühl" bezeichnen können. Innerhalb unserer Sprache gibt es einen Konsens darüber, welche körperlichen Gefühle durch ein sprachliches Gefühl bezeichnet werden. 

Ein körperliches Gefühl ist das, was wir subjektiv empfinden. Ein sprachliches Gefühl ist die Beschreibung eines körperlichen Gefühls. Der Versuch anderen das zu vermitteln, was nur uns selbst zugänglich ist. 

Manche dieser sprachlichen Gefühle wurden reduziert auf einzelne Wörter. Liebe. Hass. Trauer. Einsamkeit. Jeder fühlt anders. Jeder hat andere Vorstellungen davon, welche körperlichen Gefühle unter die Begriffe sprachlicher Gefühle fallen. 

Der Konsens über spachliche Gefühle ist wie eine eckige Schablone. Körperliche Gefühle hingegen sind wie unregelmäßige, runde Formen. Versuchen wir körperliche Gefühle auszudrücken, legen wir die eckigen Schablonen der Sprache an. Dabei bleiben die persönlichen Details unvermittelt - sie passen nicht in die Schablone. 

Wir können versuchen, neue Schablonen zu schaffen. Gedichte. Diese können dann alle Details vermitteln. Aber weil diese Schablonen so individuell sind, wie das damit vermittelte Gefühl selbst können andere trotzdem nicht nachfühlen, was wir fühlen.

Denn: nicht nur sind sprachliche Gefühle Schablonen, die unsere körperlichen Gefühle in Formen pressen, die andere verstehen können, sondern unsere Sprache ist eine Sammlung von Worten, von Schablonen, die unsere Gedanken in Formen pressen, damit sie anderen vermittelbar sind.

Wenn wir eine Sprache lernen, lernen wir das Vokabular. Wir lernen die Verwendungsweisen der Schablonen. Jeder hat seine eigenen Verwendungsweisen. Sie sind nicht so verschieden, dass wir uns nicht mehr verstehen könnten, aber doch so verschieden, dass Sätze für den einen eine andere Bedeutung haben, als für den anderen. Interpretationen.

Die Tragweite dieses Gedankens ist immens. Nicht nur sind Gefühle subjektiv, weil von anderen nicht erfahrbar. Sondern auch die Worte, mit denen wir sie beschreiben sind subjektiv. Doppelte Subjektivität. 

Abschließend: Es sind meine Worte, meine Schablonen, die Ich verwende. Mein Vokabular. Ob jemand versteht, was Ich damit ausdrücken möchte, ob jemand den Gedanken so versteht wie Ich, kann Ich nicht wissen. Aber vielleicht gibt es ja jemanden, der meine Sprache spricht.


D'Ahrc

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