Donnerstag, 26. Dezember 2013

3. Überzeugungen: Zweifel, Glaube und Argumente

Ich glaube, dass mein Verständnis einer Argumentation stark durch Schopenhauers "Eristrische Dialektik" geprägt ist. Untertitelt ist sein erst posthum veröffentlichtes Werk mit "Die Kunst Recht zu behalten". Gehen wir davon aus, dass wenn wir eine Position vertreten, wir von der Wahrheit dieser Position überzeugt sind, dann werden wir uns auch nicht von den Argumenten unseres Gegenübers von dieser Überzeugung abbringen lassen. Es könnte ja sein, dass uns das schlagende Argument nicht zur Hand war. Deswegen: Nicht die Argumente deines Gegenübers überzeugen dich, sondern du dich selbst. Erst wenn deine Überzeugungen durch Zweifel geschwächt sind, gibt es für die Argumente eine Angriffsfläche. Du beginnst an deinen Überzeugungen zunehmend zu zweifeln - vielleicht hat er ja doch Recht? Du überdenkst deine Überzeugungen. Doch nicht die Argumente der Diskussion sind der Anlass dieses Zweifels. Der Zweifel ist Vorausetzung für die Wirksamkeit der Argumente. Diese können lediglich bestehenden Zweifel nähren.

Zweifel kommen auf, wenn du nicht fest genug an die Wahrheit deiner Überzeugungen glaubst. Der wahrhaftig Gläubige ist immun gegen Zweifel. Der wahrhaftig Gläubige ist immun gegen Argumente. Nicht zu zweifeln lässt uns intolerant werden.


D'Ahrc

2. Sprache: Schlussfolgerungen - Deduktion, Induktion und Abduktion

Beispiel. Wir stellen die Regel auf: (1) Immer wenn es regnet, dann ist die Straße nass. (2) Wir beobachten, dass es regnet. (3) Die Straße ist nass. Natürlich können wir uns darüber streiten, was nass ist und ob die Straße nass ist oder wird, weil Regnen eigentlich ein Prozess ist, müssen wir aber nicht.

Die Deduktion ist die Schlussfolgerung der Wissenschaft, weil sie aufgrund der Logik wahrheitserhaltend ist. Um zu verdeutlichen, was eine deduktive Schlussfolgerung ist, werde wir uns das Beispiel nochmal anschauen: (1) Immer wenn es regnet, dann ist die Straße nass. (2) Wir beobachten, dass es regnet. Wir schließen: (3) Die Straße ist nass.

Die Induktion ist keine gültige Schlussfolgerung, d.h. sie ist nicht wahrheitserhaltend. Das bedeutet, die Wahrheit der Prämissen, hier (2) und (3), garantieren nicht die Wahrheit der Konklusion, (1). Das berühmte Beispiel der Induktion von Popper geht so: wir haben in unserem ganzen Leben bloß weiße Schwäne gesehen und deswegen schließen, dass alle Schwäne weiß sind. Für unser Beispiel bedeutet dies, dass (2) wir immer, wenn es regnet, feststellen, dass (3) die Straße nass ist. Deswegen schließen wir auf die Regel: (1) Immer wenn es regnet, dann ist die Straße nass.

Die Abduktion ist im Vergleich zu den anderen beiden Methoden recht unbekannt. Bei der Abduktion wird auf eine plausiblen Erklärung geschlossen. Das heißt, wenn wir die Regel (1) akzeptieren und sehen, dass (3) die Straße nass ist, werden wir vernünftiger Weise schließen, dass es wohl (2) geregnet hat.


D'Ahrc

Sonntag, 17. November 2013

2. Welt: Theogenese

Wenn du jemanden anschaust, siehst du dann wie er denkt? Glaubst du, ohne es selbst erfahren zu können, dass andere Menschen Bewusstsein haben? Vielleicht sind es alles bloß Maschinen, die vorgeben Bewusstsein zu haben. Vielleicht bist du der einzige denkende Mensch.

Diese Position wird Solipsismus genannt und Ich werde an dieser Stelle annehmen, dass kein anderes Wesen, außer mir selbst, Bewusstsein besitzt. Ihr sollt es ebenfalls in der ersten Person lesen und euch selbst als einziges Bewusstsein in der Welt auffassen. Versucht es einfach.

Am Anfang ist Gott. Gott erschafft die Welt. Zu welchem Zweck? Zur Theogenese. Die Theogenese beschreibt den Prozess einer göttlichen Zellteilung. Gott spaltet einen Teil seines Bewusstseins ab und verpflanzt ihn in ein Wesen in dieser Welt. In mich. Mein Bewusstsein war Teil Gottes. Die Welt selbst dient als Inkubator, als Brutkasten für das noch schwache Bewusstsein.

Meine Aufgabe in dieser Welt besteht nun darin, mich zu entwickeln, Erfahrungen zu sammeln und einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen. Wenn Ich diese Aufgabe am Ende meines Lebens erfüllt habe, so wird mein Bewusstsein in eine neue Welt versetzt. In einen neuen Inkubator, eine neue, künstliche Umgebung, die genau die Anforderungen stellt, die meiner Entwicklung am dienlichsten sind.

Diese Existenz wiederholt sich, dreht sich spiralförmig hinauf zu höheren Ebenen des Bewusstseins. Und am Ende dieser Entwicklung wird mein Bewusstsein selbst gottgleich, nein, Ich werde selbst ein Gott. Reines Bewusstsein, frei von jeglicher weltlichen Begrenzung.

Aber wozu teilt sich Gott? Wozu will er sich vermehren?

Wie mein Bewusstsein auf dem Weg zu seiner göttlichen Form einer dienlichen Umgebung bedarf, so bedarf es auch Gott einer dienlichen Umgebung, um noch höhere Sphären der Existenz zu erreichen. Durch die Theogenese schafft er Ebenbilder seiner selbst, die wiederum ihm eine dienliche Umgebung schaffen werden.

Oder glaubt tatsächlich jemand daran, dass ein göttliches Wesen sich für Menschen interessiert?
 
Nein, die "Menschen" um mich herum sind bloß Statisten, die mich im richtigen Moment das Richtige lehren, damit Ich meinen Weg gehen kann. Gott interessiert sich bloß für Gott, alles andere ist ein Mittel zum Zweck, der weiteren Entwicklung seiner selbst.


D'Ahrc



Natürlich sprechen sehr viele Plausibilitätsargumente gegen diese Weltsicht, aber es gibt in der Welt nichts, was nicht zweifelhaft wäre. Damit gibt es kein unbezweifelbares Fundament, welches diese Weltsicht notwendigerweise widerlegen kann. Also, für heute bin Ich eine Keimzelle Gottes.

Freitag, 4. Oktober 2013

2. Menschen: Restrisiko

Was ist besser? A oder B? Nehmen wir an, A und B sind Handlungen. Welche der beiden Handlungen besser ist, ist relativ zur Situation und zu dem Ergebnis, das wir erzielen wollen. Schlimmer noch, ob wir mit A oder B das gewünschte Ergebnis tatsächlich erzielen, können wir bloß wissen, wenn wir A oder B ausführen. Wir können also bloß retrospektiv wissen, ob wir uns richtig entschieden haben.

Haben wir A bzw. B ausgeführt, hat sich damit die Situation geändert. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, die ursprüngliche Situation nicht wieder herstellen und deshalb auch nicht testen, ob die jeweils andere Handlung besser gewesen wäre.

Ein Restrisiko bleibt immer.

Falls wir uns geirrt haben, ist es sinnlos über das Was-wäre-wenn nachzudenken, sondern angebracht, die Gründe für unseren Irrtum zu ergründen. Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen.


D'Ahrc

Mittwoch, 18. September 2013

2. Überzeugungen: ... sind radikal hypothetisch.

"Es gibt keine tabula rasa. Wie Schiffer sind wir, die ihr Schiff auf offener See umbauen müssen, ohne es jemals in einem Dock zerlegen und aus besten Bestandteilen neu errichten zu können. Nur die Metaphysik kann restlos verschwinden." - Otto Neurath

Unsere Überzeugungen sind die Planken, aus denen unser Schiff gebaut ist. Wir können uns nicht frei machen von jeglicher Überzeugung, ansonsten gingen wir unter. Deswegen können wir niemals alle unsere Überzeugungen gleichzeitig in Frage stellen, sondern müssen mindestens eine davon absolut setzen, um nicht in den Untiefen des infinitiven Regresses zu ertrinken.

Eine absolute Überzeugung ist, soll sie kein Dogma sein, immer hypothetisch. Unter der Annahme, dass diese Überzeugung wahr ist, welche Konsequenzen ergeben sich für meine anderen Überzeugungen? Das heißt, wollen wir unsere Überzeugungen prüfen, so müssen wir uns auf mindestens eine hypothetische Annahme stützen.

Diese Eigenschaft der zugrunde liegenden Annahme, hypothetisch zu sein, überträgt sich auf jede unserer Überzeugungen. Alle unsere Überzeugungen sind radikal, d.h. an ihrer Wurzel, hypothetisch.

Alle unsere Überzeugungen sind radikal hypothetisch. Keine davon kann unabhängig von der zugrunde liegenden Annahme Wahrheit beanspruchen. Deshalb kann niemand für sich die Wahrheit beanspruchen. Auch Ich nicht.


D'Ahrc

Montag, 29. Juli 2013

1. Wissen: Dichotomie von Theorie und Empirie

Dem kritischen Rationalismus folgend, sind Theorien Erfindungen. Woher wir unsere Inspiration nehmen, ist irrelevant für die Bewertung unserer Erfindungen. Das einzige Merkmal, woran sich unsere Theorien messen lassen, ist die Qualität ihrer Voraussagen.

Dabei gilt, dass wir nicht versuchen, unsere Theorien zu verifizieren, d.h. sie nicht zu beweisen, sondern versuchen, sie zu falsifizieren. Unter welchen Umständen stellt sich raus, dass unsere Theorie falsch ist? Dann schauen wir, ob es diese Umstände gibt. Finden wir diese, ist unsere Theorie falsch und muss durch eine neue, verbesserte ersetzt werden.

Worin besteht aber der Unterschied zwischen Theorie und Empirie? Ich versuche es anhand einer Metapher:

Die Theorie ist eine Landkarte und die (hypothetische) Wirklichkeit die Landschaft. Erfinden wir eine Theorie, so ist es als zeichneten wir eine Landkarte ohne die Landschaft zu kennen. Wir folgen den eingezeichneten Wegen und stellen fest, dass die Karte ungenau ist, also korrigieren wir sie. Dabei ist die Karte niemals exakt. Denn auf der Karte kann niemals die gesamte Landschaft abgebildet werden; Gödels Unvollständigkeitsbeweis - Ich denke, der Hinweis ist hier passend. (Wollten wir es übertreiben, könnten wir auch jeden einzelnen Grashalm einzeichnen, aber die Atome, aus denen sie bestehen werden wir niemals in ein aus Atomen bestehendes Blatt Papier einzeichnen können.)

Die Landkarte ist nicht die Landschaft.

Wir können die weißen Flecken unserer Karte nicht dadurch füllen, dass wir auf der Karte nach Antworten suchen, wir müssen raus in die Landschaft. Und wir müssen raus in die Landschaft, um zu überprüfen, ob wir nicht voreilig weiße Stellen mit Inhalt gefüllt haben.

Das ist im Groben der Unterschied zwischen Theorie und Empirie. Theorie ist eine Landkarte der Wirklichkeit. Empirie das Erforschen der Landschaft.


D'Ahrc

Donnerstag, 4. Juli 2013

2. Identität: ... ist nicht konstant

Wir besitzen mehrere Identitäten. Identitäten sind Mengen von Eigenschaften. Aus Materie zu bestehen ist auch eine Eigenschaft. Nicht jede unserer Eigenschaften ist ein Element jeder unserer Identitäten. Unsere Identitäten liegen in den Köpfen anderer. Wir entscheiden nicht selber, welche Elemente welche Identität bilden. Wir können aber versuchen zu beeinflussen, welche Elemente Teil einer Identität werden.
Wie wir von anderen wahrgenommen werden, welche Identität wir für andere haben, hängt davon ab, welche Eigenschaften wir vermitteln und welche Eigenschaften dann auch wahrgenommen werden; und allgemein: wie andere uns wahrnehmen wollen. Jeder gewichtet die Elemente einer Identität anders. Für den einen ist die eine Eigenschaft an uns wichtig, für den anderen eine andere.

Die Elemente einer Identität sind nicht konstant. Damit verändert sich auch unsere Wirkung auf andere. 


D'Ahrc

Donnerstag, 30. Mai 2013

1. Welt: Existenz der Welt

Warum leben wir nicht in einer Simulation? Wir können nicht ausschließen, dass wir in einer Simulation leben, aber wir können Argumente dafür und dagegen aufstellen.

Wenn wir dem simulation-Argument von Nick Bostrom folgen, gibt es drei mögliche Entwicklungen:

1. Wir werden niemals einen transhumanen Entwicklungsstand erreichen.
2. Wir werden einen transhumanen Entwicklungsstand erreichen, aber kein Interesse daran haben, die Evolution unserer Vorfahren zu simulieren ("ancestor simulations").
3. Wie 2., nur dass wir ein Interesse an ancestor simulations haben werden.

Zunächst: damit das Argument gültig ist, bedarf es lediglich einer gigantischen Rechenleistung, welche sich durch die Entwicklung von Quantencomputern schon ankündigt.

Für 1. bedeutet das, dass wir niemals einen Entwicklungsstand erreichen werden, der es uns erlaubt, mithilfe dieser Rechenleistung ancestor simulations zu betreiben. Das wäre meiner Meinung nach sehr traurig, denn das würde bedeuten, die Menschheit wird sich irgendwann in diesem Jahrhundert auslöschen respektive zurück in die Steinzeit bomben.

Sollten wir tatsächlich einen transhumanen Zustand erreichen - und weder uns noch die Erde zerstören -, dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder wir entwickeln kein Interesse daran, ancestor simulations zu betreiben (2.) oder wir entwickeln ein solches Interesse (3.). Aus der Geschichte lernen wir, dass das technisch Mögliche auch irgendwann realisiert wird, sodass es nur eine Frage der Zeit ist, wann wir die erste Simulation starten.

Wenn wir also annehmen, dass wir einen transhumanen Zustand erreichen werden und wir ein Interesse daran haben werden, ancestor simulations zu betreiben, dann stellt sich die Frage: woher wissen wir, dass wir nicht selber in einer solchen Simulation leben?

Die Konsequenz ist klar: wenn wir simuliert wären, warum sollte dann nicht auch die Wirklichkeit, in der wir simuliert werden, wiederum selber simuliert sein? Die Annahme, wir lebten in einer Simulation führt in einen Regress von simulierten Simulation, die Simulationen simulieren - yo dawg, I heard you like simulations ...

Und abgesehen davon, welche praktischen Konsequenzen würden sich für uns ergeben? Sollten wir tatsächlich  mit dem Zweck simuliert sein, unsere Entwicklung zu verfolgen, wird wohl kaum ein Techniker eingreifen und so das Experiment stören. Oder etwas bizarrer: vielleicht sind wir auch einfach nur ein Bildschirmschoner ...

Aufgrund der absurden Konsequenzen halte ich die Überlegung, ob wir in einer Simulation leben, nicht für praktisch relevant. Warum also nicht annehmen, dass wir nicht simuliert sind und die Welt existiert?


D'Ahrc

Freitag, 10. Mai 2013

1. Sprache: performativer Selbstwiderspruch

"Ich weiß, dass Ich nichts weiß", soll Sokrates mal gesagt haben. Wenn wir jedoch annehmen, dass jeder Satz den impliziten Anspruch beinhaltet, wahr zu sein, dann ist es ein performativer Selbstwiderspruch, da sich der Sprecher durch das Aussprechen selbst widerspricht, also einen Widerspruch von explizit Gesagtem und implizit Angenommen. Dasselbe gilt für die Aussage, "es gibt keine absolute Gewissheit." Der Satz stellt implizit den Anspruch eine absolute Gewissheit zu sein, also tatsächlich Wahrheit auszudrücken. Wie kommen wir aus diesem Dilemma raus? Anstatt implizit anzunehmen, dass eine Aussage Wahrheit beansprucht, sollten wir die Fallibilität jeder Aussage über die Welt implizit mitdenken.


D'Ahrc

Montag, 15. April 2013

1. Ethik: Metaethik und mein Begriff von Realität

Das Folgende ist das einleitende Kapitel zu einem Essay zum Thema Utilitarismus - obwohl es darin noch garnicht um Utilitarismus geht, sondern über Methaethik, meinen Begriff von Realität und meiner Auffassung von Realismus. Es geht weniger darum, meine Meinung zu begründen, als schlicht darum, meine Meinung hier festzuhalten. Ich denke, dass wir bestimmte basale Überzeugungen haben, welche unser Denken und Handeln bestimmen - der hypothetisch-konstruktive Realismus ist eines meiner Axiome.



Bei meinen Aussagen über Metaethik und Ethik lege ich den hypothetisch-konstruktiven Realismus zugrunde. Dieser sagt aus, dass „unsere Wahrnehmung und Vorstellung von Wirklichkeit [...] nicht etwas ‚Gegebenes‘ [ist], sondern das Ergebnis einer aktiven kognitiven Konstruktion“ (Schurz, 56). Wir besitzen über die Wirklichkeit nur unvollkommene Informationen, da wir schlicht nicht alles wissen können. Zum einen beschränkt die Lichtgeschwindigkeit die Informationsübertragung und zum anderen ist hinreichend bekannt, dass unsere Wahrnehmung die Wirklichkeit verzerrt. Aufgrund dieser unvollkommenen Informationen konstruieren wir eine „unvollkommene strukturelle Abbildung“ (Schurz, 57) der Wirklichkeit. Weil keine zwei Menschen dieselben Informationen über die Wirklichkeit besitzen, konstruiert jeder Mensch seine eigene Abbildung, welche ich als Realität bezeichnen werde.
„Die unabhängig existierende Wirklichkeit wird eben nicht als in unseren Vorstellungen unmittelbar gegeben angenommen, [...], sondern sie wird lediglich als System hypothetischer Entitäten postuliert, dessen Existenz die empirischen Erfolge unserer Erkenntnis am besten erklären kann. [...] ich bezeichne diese Position als den hypothetisch-konstruktiven Realismus, um zu betonen, das [sic] auch der Realismus eine fallible Hypothese darstellt.“ (Schurz, 57)
Wie gerade festgestellt, konstruiert jeder Mensch sich seine eigene Realität, diese sind fallible Hypothesen, welche durch neue Informationen über die Wirklichkeit falsifiziert werden können. Daher werde ich folgend von hypothetischen Realitäten sprechen.

Der Kognitivismus und der Nonkognitivismus sind die beiden metaethischen Haupttheorien. „Der Kognitivismus besagt, dass die präskriptiven Sätze der Ethik (oder auch andere präskriptive Sätze) primär [weite Bedeutung] oder gar ausschließlich [enge Bedeutung] eine kognitive Funktion haben.“ (Morscher, 36) Der Nonkognitivismus ist die logische Negation des Kognitivismus. „Wenn eine Äußerung eines Satzes S normalerweise wahr oder falsch (im üblichen Sinn dieser Wörter) ist, wollen wir sagen, S habe eine kognitive Funktion.“ (Morscher, 38) ‚Wahr‘ im üblichen Sinne bedeutet, dass auf den Satz das Schema-T nach Tarski angewendet werden kann. Die enge unterscheidet sich von der weiten Bedeutung dadurch, dass die enge Bedeutung des Kognitivismus besagt, präskriptive Sätze haben eine kognitive Funktion, wenn sie wahrheitswertfähig sind und die weite Bedeutung besagt, dass sie schon eine kognitive Funktion haben, wenn sie diskursfähig sind. Diskursfähig ist ein Satz, wenn er Prämisse oder Konklusion eines Argumentes sein kann (vgl. Morscher, 38).
   Ich habe die Überzeugung, dass Sätze wahrheitswertfähig sein müssen, um Teil eines Argumentes sein zu können. Dadurch fällt für mich die Unterscheidung von enger und weiter Bedeutung zusammen. Sowohl deskriptive als auch präskriptive Sätze sind wahrheitswertfähig, deshalb halte ich den Kognitivismus für zutreffend.

An dieser Stelle werde ich kurz skizzieren, wie ein Satz gemäß dem Schema-T im hypothetisch-konstruktiven Realismus als wahr ausgezeichnet wird. „X ist wahr genau dann, wenn p“, wobei X der Name für einen beliebigen Satz p ist und p mit einem Sachverhalt in unserer „unvollkommene[n] strukturelle[n] Abbildung“ der Wirklichkeit korrespondiert. Das bedeutet, der präskriptive Satz ‚Die Handlung h ist geboten‘ ist wahr für denjenigen, der den Satz hört respektive spricht genau dann, wenn in der Realität desjenigen der Sachverhalt besteht, dass die Handlung h geboten ist.

D'Ahrc



Schurz, Gerhard, Einführung in die Wissenschaftstheorie, Darmstadt, WBG, 20113
Morscher, Edgar, Normenlogik, Paderborn, Mentis, 2012

Mittwoch, 3. April 2013

4. Leben: Unsterblichkeit durch andere

Wir sind geprägt durch unsere Gene und Meme. Meme sind die Summe der kulturellen Einflüsse. Kulturelle Einflüsse sind beispielsweise unsere Erziehung, unsere idiosynktratischen Erfahrungen im Umgang mit anderen und allgemein unsere historisch kontingente Sozialisation. Auch Worte und Taten Einzelner sind Teil der kulturellen Einflüsse, sodass wir schwächer oder stärker durch Einzelne geprägt sein können.

Wir sind die Summe unserer physischen und psychischen Eigenschaften. Diese werden durch Gene und Meme determiniert. Dadurch sind wir veränderlich. Wir haben keine wahre Persönlichkeit, keinen festen Kern, kein zentriertes Ich. Wir sind ständig Einflüssen ausgesetzt, die unser Denken verändern können. Lediglich Gene sind ziemlich konstant, wobei Gentherapien auch diese verändern können.

Unsere Prägung zeigt sich in unseren Worten und Taten. Durch diese prägen wir wiederum andere. Wenn wir die idiosynkratischen Prägung sind, die uns veranlasst so zu denken und zu handeln, wie wir es nunmal tun, dann können wir unsterblich werden, indem wir anderen unsere Prägung geben, dann wird sich unsere Persönlichkeit, unsere Prägung in ihren Worten und Taten zeigen, dann wird unsere Persönlichkeit den Tod unseres Körpers überleben. 

Ich denke, dass Jesus dies meinte, als er sagte, er würde in seinen Jüngern weiterleben und Ich denke, dass Karma ebenso funktioniert. Karma ist kein metaphysisches Konto, sondern die kausale Kette unseres Handelns mit all ihren positiven und negativen Konsequenzen.


D'Ahrc

Samstag, 2. März 2013

1. Politik: Gleichwertigkeit der Regierungsformen

Den folgenden Text habe Ich für ein Seminar zum Thema Staatsphilosophie geschrieben. 



Über die theoretische Gleichwertigkeit der Regierungsformen


Einleitung. Ich möchte in diesem Essay dem Gedanken nachgehen, dass jede Regierungsform theoretisch gleichwertig ist. Die Gleichwertigkeit besteht dabei in ihrem Nutzen als Mittel zum Erreichen eines bestimmten Zieles. Dieses Ziel ist die Umsetzung der Ansprüche an die Regierung.

Dazu werde ich die Bildung von Gruppen aufgrund ihrer Interessen beschreiben. Anschließend werde ich klären, was ich unter dem Begriff der Herrschaft verstehen möchte. Darauf aufbauend werde ich Regierungsformen und ihre Legitimationsansprüche darstellen und diese abschließend mit dem Begriff der Kontingenz von Richard Rorty konfrontieren.

An dieser Stelle werde ich das Ergebnis bereits kurz zusammenfassen: Jede Regierungsform ist theoretisch gleichwertig, solange sie akzeptiert wird. Wenn eine Monarchie akzeptiert wird, ist sie gleichwertig mit einer akzeptierten Demokratie.

Interessen. Jeder Mensch hat aufgrund seiner Erfahrungen verschiedene Interessen. Jedoch gibt es auch Interessen, die von mehreren Menschen geteilt werden. Aufgrund solcher gemeinsamen Interessen schließen sich Gruppen von Menschen zusammen. Denn zusammen lassen sich gemeinsame Interessen einfacher erreichen. Das stärkste dieser gemeinsamen Interessen ist das (Über-)Leben. Das Überleben ist das elementarste aller gemeinsamer Interessen. Sind die grundlegenden Bedürfnisse gesichert, geht es um die Gestaltung des (guten) Lebens. Ab diesem Punkt divergieren die Interessen besonders deutlich, weil wir uns zwar darüber einigen können, was zum Überleben notwendig ist, jedoch selten alle Menschen darüber einstimmen, was für gutes Leben notwendig ist. So bilden sich innerhalb einer Gruppe weitere Interessengruppen. In der Bevölkerung entstehen so Parteien, Vereine und Lobbyorganisationen. Um alle diese Interessen zu koordinieren bedarf es einer übergeordneten Instanz.

Herrschaft. Max Weber definiert Herrschaft in Soziologische Grundbegriffe als „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“1. Gehorsam lässt sich folglich nur bei Personen finden, die der Herrschaft zustimmen. Die Zustimmung leitet sich aus den eigenen Interessen ab und besteht solange die Herrschenden diese Interessen vertreten. Auch Kompromisse zwischen verschiedenen Interessen sind zustimmungsfähig, solange die Beherrschten diese Kompromisse akzeptieren. Die Akzeptanz solcher Kompromisse leitet sich aus bestimmten Prozessen ab - beispielsweise aus dem Prozess zur Gewinnung des Mittelwertes. Zwei Interessen werden gemittelt und der so entstandene Kompromiss wird akzeptiert, weil beide Interessen zu gleichen Teilen berücksichtigt wurden.

Regierung. Ich möchte die Regierungsform als Blackbox betrachten, die in Form von Ansprüchen Input durch die Bürger bekommt. Ansprüche sind hier die Erwartungen gegenüber der Regierung, dass sie die Interessen vertritt. Der Output der Blackbox besteht in der Umsetzung der Ansprüche. Wie oben beschrieben leitet sich die Akzeptanz aus den Prozessen zur Gewinnung von Kompromissen ab. Wird der Prozess akzeptiert, wird auch der Output akzeptiert. Die Prozesse geschehen in der Blackbox. Wie diese Prozesse genau aussehen, ist irrelevant, solange sie akzeptiert werden. Daher ist es auch irrelevant, welche Art der Regierungsform sich in der Blackbox befindet, solange sie akzeptiert wird. Die Akzeptanz der Regierungsform ist historisch kontingent und leitet sich aus der jeweiligen Legitimation ab.

Legitimation. Nach Weber gibt es drei reine Typen legitimer Herrschaft.2 Zum ersten Legitimität durch Tradition. Eine solche ist in ihrer reinen Form wohl nur in Monarchien oder ähnlichen Alleinherrschaften anzutreffen. Diese Legitimation baut auf der Akzeptanz des Alleinherrschers durch Tradition. Der neue Monarch wird akzeptiert, weil der alte akzeptiert wurde. Aufgrund dieser Akzeptanz ist er dazu in der Lage Kompromisse zu beschließen. Besonders im Mittelalter war es üblich diese Tradition auf Gott zurückzuführen (Gottesgnadentum). 

Zum zweiten Legitimität durch Rationalität. Dieser Typ der Legitimation findet sich zumeist in Aristokratieen oder Demokratien. Sie baut am stärksten auf die Akzeptanz der Prozesse. Wenn die Position als Aristokrat vererbt wird, dann gilt für sie die Legitimation durch Tradition. Wenn Aristokraten aber gewählt werden, dann leitet sich ihre Akzeptanz aus der Akzeptanz des Prozess der Wahl ab. Im Grunde ist eine repräsentative Demokratie auch nur eine Aristokratie, verstanden als die Herrschaft der Besten. Wir wählen diejenigen, von denen wir annehmen, dass sie aufgrund bestimmter Eigenschaften am besten dazu geeignet sind über uns zu herrschen. Die Herrschaft derjenigen, die schließlich gewählt wurden wird akzeptiert, weil der Prozess der Wahl akzeptiert wird. In einer direkten Demokratie leitet sich die Akzeptanz der Kompromisse aus einem einzigen Prozess ab: dem Mehrheitsentscheid. In seiner reinen Form wird der Mehrheitsentscheid aber selten akzeptiert. Denn immer mehr Entscheidungen setzen eine gewisse Fachkenntnis voraus, die ganz einfach nicht jeder haben kann. Mehrheitsentscheide werden nur dann akzeptiert, wenn jeder Abstimmende die nötige Fachkenntnis besitzt.

Zum dritten Legitimität durch Charisma. Diese Typ findet sich besonders wieder bei Alleinherrschaften und vornehmlich in Diktaturen. Sie baut auf die Akzeptanz des Herrschenden aufgrund seiner Eigenschaften. Zu diesen Eigenschaften zählt besonders die Autorität, die jemand vermag auszustrahlen. Aus dieser Akzeptanz leitet sich dann auch die Akzeptanz seiner Entscheidungen ab.

Die Akzeptanz einer Regierung leitet sich aus einer Mischung dieser Legitimationen ab. Sie verliert die Akzeptanz entweder durch illegitime, nicht durch die Legitimation zu rechtfertigende Handlungen, oder die Beherrschten entwickeln ein neues Verständnis von legitimer Herrschaft. Entweder verliert also ein Regierung die Akzeptanz, weil sie entgegen der Interessen der Beherrschten handelt und somit der Output nicht mehr akzeptiert wird oder sie verliert die Akzeptanz, weil die Prozesse nicht mehr akzeptiert werden.

Kontingenz.3 Alles ist kontingent. Selbst das Interesse am Überleben ist kontingent. Ansonsten gäbe es wohl keine Selbstmorde. Die Vorstellungen von einem guten Leben sind ebenfalls kontingent. Nicht nur zwischen den Zeiten, sondern auch in der jeweiligen Zeit an verschiedenen Orten unterscheiden sich diese Vorstellungen. Die Akzeptanz von Kompromissen ist genauso kontingent, weil zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten verschiedene Prozesse akzeptiert werden. Ebenso sind auch Legitimationen kontingent. Heute wird in der westlichen Welt niemand mehr eine Legitimation durch Tradition oder Charisma anerkennen. Dies war nicht immer so. Aus der Kontingenz der Akzeptanz folgt, dass - zumindest theoretisch - keine Regierungsform einen höheren Wert hat als eine andere. Es kann aber sein, dass von zwei akzeptierten Formen der Regierung die eine zu bevorzugen ist, weil sie effizienter als die andere einen akzeptierten Output liefert. Daraus kann eine praktische Ungleichwertigkeit folgen.

Fazit. Weil sich die Gleichwertigkeit nur an der Akzeptanz der Prozesse und des Outputs der Regierung misst, ist die konkrete Ausgestaltung der Prozesse irrelvant. Deswegen ist jede Form der Regierung theoretisch gleichwertig mit jeder anderen Regierungsform, solange sie akzeptiert wird. Eine Monarchie ist also gleichwertig mit einer Aristokratie oder einer Demokratie. Hinsichtlich der Effizienz kann sich aber eine praktische Ungleichwertigkeit ergeben.


D'Ahrc



1 Max Weber, Soziologische Grundbegriffe, Tübingen, Mohr, 5. Auflage, 1981, S. 89
2 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 5. Auflage, 1985, S. 122-124
3 Richard Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1992

Donnerstag, 28. Februar 2013

1. Rhetorik: Confirmation Bias

Der Confirmation Bias ist ein logischer Fehlschluss. Es ist der Fehlschluss, gegen den Karl Popper mit dem Falsifikationismus respektive Kritischem Rationalismus angeht. Der Confirmation Bias hat immer die folgende Form: Wenn p, dann q. Wir haben beobachtet, dass q. Ergo: wir schließen, dass p. 

Füllen wir das Schema mal mit Inhalt: Wenn es regnet, dann ist die Straße nass. Wir haben beobachtet, dass die Straße nass ist. Ergo: wir schleißen, dass es geregnet hat.

Was fällt auf? Ein Denken, welches Alternativen ausschließt. Denn wenn eine Straße nass ist, dann folgt nicht, dass es geregnet haben muss. Mit zusätzlichen Beobachtungen und Annahmen lässt sich dieser Schluss natürlich rechtfertigen, aber aus der bloßen Feststellung, dass die Straße nass ist, kann ebenso folgen, dass jemand die Straße mit einem Wasserschlauch nass gemacht hat. 

Diese Alternative ist sehr unwahrscheinlich, aber das macht sie nicht unmöglich. Vor allem wenn die Wahrscheinlichkeit nicht eindeutig bestimmt werden kann, sollten wir vermeiden, durch subjektiven Schätzung unser Denken einzuengen. 

Beim Confirmation Bias wird aus der Bestätigung der Konsequenzen auf die Bestätigung des Antezedens geschlossen. Weil aber andere Alternativen nie zu hundert Prozent ausgeschlossen werden können, ist also ein anderes Vorgehen nötig.

Aus der Aussagenlogik folgt aus der obigen Formel: Wenn nicht q, dann nicht p. Mit Inhalt: Wenn die Straße nicht nass ist, dann hat es nicht geregnet. Es gibt auch hier wieder Möglichkeiten, diesen Schluss durch zusätzliche Beobachtungen und Annahmen zu widerlegen. Denn im Sommer scheint nach einem kurzen Schauer wieder die Sonne, sodass eine Straße schnell wieder trocken wird. Wenn wir solche Umstände mit einbeziehen, lässt sich der Schluss einschränken; es hat in den letzten x Stunden nicht geregnet.

Aber: ohne zusätzliche Beobachtungen und Annahmen, ist der Confirmation Bias immer ein Fehlschluss. Anstatt zu versuchen, unsere Hypothesen zu bestätigen, sollten wir versuchen, sie zu widerlegen.


D'Ahrc

Montag, 4. Februar 2013

3. Wille: Illusion

Was wäre verloren, wenn wir akzeptieren, dass wir keinen freien Willen besitzen? Alles, was aus dem freien Willen ableiten wäre verloren. Dazu gehört auch die Zuschreibung von Verantwortung. 

Wir würden nicht nur uns selbst nicht mehr für unsere Handlungen verantwortlich sehen - im heutigen Sinne -, sondern könnten auch andere nicht mehr für ihre Handlungen verantwortlich machen. Denn: wenn es keinen freien Willen gibt, dann können wir uns nicht entscheiden und können deswegen auch nicht anders handeln, als wir es getan haben.

Wir können Verantwortung auch darüber definieren, dass wir als Person die Handlung ausgeführt haben. Selbst wenn wir nicht anders hätten handeln können, können wir nicht abstreiten, dass wir gehandelt haben. Ich denke, dass wir auch dann verantwortlich sind, wenn wir durch äußeren Zwang, beispielsweise durch Vorhalten einer Waffe, zu einer Handlung genötigt werden. Jedoch sind wir nicht im vollen Umfang verantwortlich. 

In meinem ersten Post zum freien Willen habe Ich geschrieben, dass wir für unsere Handlungen verantwortlich sind, wenn es unsere Handlungen sind. Und sie werden unsere Handlungen, wenn unsere Persönlichkeit Einfluss auf die Handlung hat. In einer Zwangssituation hat meine Persönlichkeit im Verhältnis zum Zwang einen geringen Einfluss, sodass Ich auch eine geringere Verantwortung trage. Das entspricht unserer Intuition und unserer Rechtspraxis. 

Es fällt leicht zu akzeptieren, dass andere nicht anders handeln konnten, weil wir keine Einsicht haben in ihre Entscheidungsfindung. Bei uns selbst erscheint es aber schwieriger. Wir sind durch Introspektion live dabei, wenn wir eine Entscheidung fällen. Wir glauben die Entscheidungsfindung bewusst steuern zu können, aber Ich denke, dass das Bewusstsein einem Monitor entspricht. Wir kriegen dargestellt, was in uns passiert.

Wenn wir aber keinen Einfluss durch Entscheidungen haben, dann ist doch auch jede Anstrengung vergebens? Nein, wir können akzeptieren, dass wir unser Leben leben wie ein Schiff getrieben im Sturm. Wir haben die Segel eingeholt und sind die Strömungen ausgeliefert. Wir sind dem Zufall ausgeliefert. Unsere Anstrengungen sind nicht vergebens, weil selbst unser Aufgeben eine Folge von Kausalität wäre ... wir können nichts an der Situation ändern, wer nicht akzeptieren kann, dass Kausalität einen unfreien Willen impliziert, dem bleibt nur die Illusion.


D'Ahrc

Samstag, 2. Februar 2013

4. Wahrheit: ... ist nicht kommunizierbar

Angenommen, es gibt absolute Wahrheiten. Angenommen, wir könnten diese Wahrheiten erkennen. Wie könnte Ich dich davon überzeugen, dass Ich die absolute Wahrheit erkannt habe?

Wenn Ich sie dir sprachliche vermitteln will, dann gibt es zwei Probleme: zum einen haben meine Worte in deinem mentalen Lexikon nicht dieselbe Bedeutung, Intension und Extension, wie in meinem und zum anderen kann Ich kein Argument formulieren, welches dich notwendig überzeugt.

Zum ersten Problem werde Ich in einem späteren Post genauer eingehen. Kurz: Ich werde für alle Worte verallgemeinern, was Ich schon über Gefühle schrieb.

Beim zweiten Problem komme Ich nochmal auf die Illusion einer Letzterklärung zurück. Wenn du meine Prämissen nicht akzeptierst, dann bist du auch nicht dazu verpflichtet meine Schlussfolgerung zu akzeptieren.

Das heißt für die absolute Wahrheit: wenn Ich ein Argument konstruiere, mit dem Ich dich von der absoluten Wahrheit überzeugen möchte, dann kann Ich entweder verfehlen die Worte zu nutzen, die du benutzen würdest, würdest du meine Gedanken denken oder du kannst schlicht mein Argument ablehnen. 

Gäbe es also eine absolute Wahrheit, könnte Ich nur diejenigen überzeugen, die eh schon meine Sprache sprechen und schon meine Prämissen akzeptieren. Allen anderen gegenüber wäre sie unkommunizierbar.


D'Ahrc

Freitag, 25. Januar 2013

2. Wille: unfreier Wille

Wie Ich gezeigt habe, kann es keinen absolut freien Willen geben, höchstens einen bedingt freien Willen. Wenn wir aber anerkennen, dass unser Wille durch unsere Umwelt beeinflusst wird, wie können wir dann glauben, dass unser Wille frei sei? 

Angenommen, unser Wille ist frei. Dazu muss er frei von Beeinflussung durch unsere Umwelt sein. Da in unserer Welt aber alles entweder in einer Kausalrelation steht oder nicht existiert, kann der Einfluss eines freien Willens nur entweder einer metaphysischen Wirklichkeit entspringen oder schlicht nicht existieren.

Die Alternative zu einem unfreien Willen wäre also die Annahme einer metaphysischen Wirklichkeit, die in unidirektionaler Kausalrelation zu unserer physischen Wirklichkeit steht. Unidrektional heißt, dass die  Kausalität nur in eine Richtung wirkt - und zwar in unsere. Wir können selbst keinen Einfluss auf diese metaphysische Wirklichkeit nehmen. Denn könnten wir es, wäre der freie Wille beeinflusst. 

Weil wir ja trotzdem das Gefühl haben unsere Entscheidungen frei zu treffen, muss sich, wenn die Entscheidungsfindung nicht wieder kausal durch unsere Umwelt beeinflusst sein soll dieser auch in der metaphysischen Wirklichkeit abspielen.

Außerdem ist es doch so, dass neue Fakten - in unserer physischen Wirklichkeit - unsere Entscheidungsfindung beeinflussen. Wie ist das aber möglich, wenn die Kausalrelation nur unidirektional ist? Dann kann die Entscheidungsfindung doch nicht frei sein. Damit ist aber auch unsere Entscheidung beeinflusst und nicht mehr frei. Unser Wille kann nicht unbeeinflusst sein.

Kurz: Ein freier Wille ist mit Kausalität nicht vereinbar. Da wir Kausalität beobachten können, einen freien Willen aber nicht, so ist Kausalität die plausiblere Annahme und somit folgt ein unfreier Wille.


D'Ahrc

Donnerstag, 17. Januar 2013

3. Wahrheit: Illusion der Letzterklärung

Gibt es eine Letzterklärung? Dazu möchte Ich erstmal Begründung von Erklärung trennen. Eine Begründung gibt uns einen Glaubensgrund. Eine Erklärung gibt uns einen Realgrund, eine Ursache. Beispielsweise ist die Rotverschiebung eine Begründung für die Expansion des Universums, aber keine Erklärung. Deswegen spreche Ich hier auch von Letzterklärung und nicht -begründung.

Die Frage nach dem "Warum?", ein methodischer Zweifel an jeder (Letzt-)Erklärung, führt in einen infiniten Regress des Ersetzens von Letzterklärungen mit Letzterklärungen.

Oder sie führt in einen dogmatischen Abbruch des Erklärens. Jedoch werde Ich in einem späteren Post versuchen zu zeigen, dass wir aus moralischen Gründen auf Dogmen, Meinungen mit unumstößlichem Wahrheitsanspruch, verzichten sollten. Zudem widerspricht ein Dogma der Kausalität. Denn diese Letzterklärung müsste sich aus sich selbst heraus geschaffen haben.

Eine zirkuläre Erklärung ist in unserer Welt nicht möglich. Erklärungen sind Kausalkonstruktionen. A kann nicht B verursachen und wiederum von B verursacht werden. Kausalität kennt nur eine Richtung. Auf diese Weise können wir also keine Letzterklärung finden.

Bei näherer Betrachtung löst sich die Fata Morgana der Letzterklärung auf. Eine Letzterklärung kann es nicht geben. Außer wir verzichten auf Kausalität.


D'Ahrc

Dienstag, 8. Januar 2013

4. Geist: Emergenz

Ich bin mehr als die Summe meiner Teile. Doch was andere als Geist bezeichnen, nenne Ich Emergenz.

Würde jedes der Atome, aus denen mein Körper besteht auf dem Boden ausgebreitet, so läge nicht Ich dort, sondern nur die Summe meiner Teile.

Denn was zählt, ist die spezifische Zusammensetzung dieser Teile, die einzigartigen Relationen, in denen sie zueinanderstehen. Aus diesen Relationen ergeben sich aufgrund der atemberaubenden Komplexität des Gehirns emergente Phänomene, die gemeinhin als Geist bezeichnet werden.

Doch aus dieser Kompexität erwächst kein neuer, feiner Stoff, aus dem sich der Geist quasi-materiell bildet. Der Geist ist nicht mehr als die Relationen, in denen die materiellen Teile zueinander stehen.

Der Geist ist nur eine Emergenz. Er vergeht mit den materiellen Teilen.


D'Ahrc



Emergenz - "Insbesondere in der Physik finden sich Beispiele für die Emergenz von Merkmalen, da die Eigenschaften der gesamten makroskopischen Welt emergente Eigenschaften sind. [...] In einem einfachen Fall betrachtet man etwa die Eigenschaften eines Gases und die Eigenschaften der Moleküle, aus denen jenes Gas besteht. Während das Gas über Eigenschaften wie etwa „Temperatur“ oder „Druck“ verfügt, ist dies für keines der konstituierenden Moleküle der Fall. (Ein einzelnes Molekül hat weder eine „Temperatur“, noch einen „Druck“.) Die genannten Attribute sind emergent, da sie nicht Kennzeichen der Bestandteile sind, die das Gesamtsystem „Gas“ bilden. Dies gilt darüber hinaus für die gesamte Thermodynamik."